K onserve zu erklären: „D er w esentliche
U nterschied ist, dass wir im K onzert etwas
sehen. Schauen w ir etwa auf den Solovio-
linisten, zieht unser G ehirn diesen selbst
dan n noch ,groß‘, w enn er 15 M eter en t-
fernt spielt und akustisch eigentlich ,klein‘
und verloren dasteht. Vor der Anlage fehlt
der optische Eindruck, aber der Solist soll
ebenfalls in realistisch er A u sd eh n u n g
zw ischen den Boxen erscheinen und das
O rch ester ein en A tem u n d eine Tiefe
besitzen, die so n st w om öglich n u r d er
D irigent erfährt.“
Solche Erlebnisse vor der A nlage en t-
stehen nach K oschnickes Ü berzeugung
durch eine gekonnte M ischung aus dem
D irektschall der In stru m en te u n d ih rer
In te ra k tio n so w o h l m it d en a n d e re n
M usikern wie auch dem Raum . N ur wer
diese höchst diffizile Ü bung beherrscht,
k ö n n e d en klanglichen Reiz u n d m u si-
kalischen Z auber eines Live-A uftritts in
einem T onträger bew ahren.
U n v e rh o h le n sp rich t d e r in diesem
Kontext kom prom isslose T onm eister von
Die Knöpfe, Schalter und
Regler existieren nur virtuell
auf dem Bildschirm. So
wurden auch die Aufnahmen
der Edition (o.) bearbeitet
der „Aufnahm e als eigenständigem K unst-
werk, das ausdrücken soll, was stattgefun-
den h at“. U n d das sich dafür klangästhe-
tischer M ittel bedient. „Es kom m t darauf
an, die Realität so gekonnt zu verbiegen,
dass sie als realistisch em pfunden w ird“,
fasst K oschnicke zusam m en u n d spitzt
sein Credo im Zitat eines gleichgesinnten
Kollegen zu: „N atürlichkeit ist die k ü n st-
lichste Sache der W elt!“
U n d so sam m elt d er K langphilosoph
fleißig die T o nspuren seiner M ikrofone
au f Festplatten, u m diese anschließend
zu einem technisch w om öglich schlicht
anm utenden, aber deshalb um so ergrei-
fenderen K langbild von hoher A u thenti-
zität zu m ontieren.
Z um klanglichen Ergebnis, das seine
T e c h n ik „ v e rste c k t“,
tra g e n je d o c h
n o ch an d ere E lem en te bei. So schätzt
zugleich eine gehörige Portion Domhall auf.
Anders als vielleicht mancher Toningenieur
vom Rundfunk, der etwa aus Angst vor
Publikumsgeräuschen den Raum akustisch
aussperrt, indem er die Mikros dicht bei
den Instrumenten wie dem Chor platziert
und der Aufnahme gegebenenfalls im
Nachhinein wieder etwas Hall zumischt,
legt Koschnicke auch hier Wert auf die
Originalakustik. Um auch diese möglichst
naturgetreu abzubilden, setzt er einen der
renommiertesten Mikrofontypen überhaupt
ein: Neumanns M150, das durch hohe Auf-
lösung besticht. Dank seiner in einer zirka
golfballgroßen Kugel sitzenden Kleinmem-
bran aus Titan entwickelt das M150 eine
besonders plastische Raumabbildung.
Hatte Koschnicke sich im Gespräch eher
skeptisch gegenüber Zwei-Mikrofon-Auf-
nahmen gezeigt, erweist sich nun, dass
dem Neumann-Doppel gemeinsam mit dem
Decca-Dreieck ein gehöriger Anteil am
Gesamtklang zukommt. Die anderen Mikros
dienen mehr oder weniger als Ergänzungen,
die in die große Übersicht eingefügt werden,
ihr Struktur und Fasson verleihen. „Hätte
ich nur die Neumanns, wäre das Ergebnis
unter diesen Umständen ein einziger undif-
ferenzierter Klangbrei", erklärt der Meister
seinen Ansatz.
Der sitzt im Regiewagen und zeichnet alle
Spuren in Hochbitqualität (24 Bit/192 kHz)
auf zwei Festplatten auf, denn das Konzert
ist im Gange. Die einzelnen Kanäle hatte
er am Vortag während der Generalprobe
ausgepegelt. Nun kontrolliert er mittels einer
kleinen Kamera den Ablauf im Dom. Mehr
noch interessiert ihn aber der schräg über
dem PC-Pult angebrachte Bildschirm, der
sämtliche Aufnahmedaten anzeigt. Wie's
letztlich klingen wird, weiß Koschnicke jetzt
noch nicht. Das Signal aus den aktiven
Koax-Monitoren von KS Digital dient
nur der Kontrolle und wurde im Schnell-
verfahren frei Hand aus den elf Spuren
zurechtgedreht. Der finale Mix erfolgt erst
im Studio in Wöllstein. Dieses bietet dafür
ohnehin die besseren Möglichkeiten.
Wir sind ohne Frage
auf die fertige CD
oder
gar Hochbit-
Files gespannt. Die
erscheinen aber wohl
erst zur nächsten Pas-
sionszeit im kommen-
den Frühjahr. Momen-
tan
ist Koschnicke
- mitten im Sommer
- mit Weihnachtsmu-
sik beschäftigt und
hat deshalb erstmal
die Rentiere vor den
Ducato gespannt.
10/2014 STEREO 23
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